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Ihr aktueller Aufenthaltsort:  Aktuelles - >Ein Tal der Erinnerungen<



Brauersdorf und Nauholz, Pfingsten 1959








Brauersdorf/Nauholz. Viele schöne alte Sitten und Bräuche sind der neuen Zeit zum Opfer gefallen. Es ist erfreulich, dass in unseren Dörfern noch das Maisingen stattfindet. Im Archiv der Westfalenpost fand die Redaktion von "brauersdorfer.de" noch alte Aufnahmen vom "D´r Pengste-Lemmel" in Nauholz und Brauersdorf. Ur-Nauholzer Henner Höcker ist natürlich die Top-Adresse, wenn es um Informationen für die Aufarbeitung der Heimat geht. Er hat nicht nur alle Hebel in Bewegung gesetzt und die Namen der Kinder erfahren, (Mutter Gerda musste wieder ran) sondern uns auch noch eine schöne Geschichte aus der guten alten Zeit vom "Pingstelömmel" geschickt. Danke.

33 Jahre alt sind die beiden Bilder aus Nauholz (links) und Brauersdorf. Henner Höcker schickte uns unter Vorbehalt folgende Namen für das Bild in Nauholz v.hinten links: Willi Krämer ("Waises"), heute in Norddeutschland; Friedhelm Krämer ("Daubs") heute Erndtebrück; Friedhelm Höcker? ("Fuhrmanns) heute Deuz; Robert Schmidt ("Heibels) heute Netphen; Elmar Schmidt ("Däjeses") heute Süddeutschland; Berthold Klöckner ("Hirte) heute Deuz; Der Akkordeonspieler ist vermutlich ein Ferienkind aus Berlin und der "Pingstelömmel" ist wahrscheinlich Walter Schäfer ("Bennersch). - Auf dem rechten Bild in Brauersdorf könnte nach Ansicht von Henner Höcker der Junge mit dem Korb Wolfgang Schäfer sein.



Der ,,Pingstelömmel"-Brauch in Nauholz

In der Woche vor Pfingsten herrschte an manchem Nachmittag seltsames Treiben im Nauholztal. Die ,,Jongedenger" des Dorfes bereiteten den alljährlichen ,,Pingstelömmel"-Umzug vor. Es nahmen alle Jungen im schulpflichtigen Alter teil. Die Älteren hatten auf dem langen Schulweg nach Brauersdorf im Vorfeld schon den 9 oder 10 jährigen Nauholzer ausgeguckt, der die Ehre hatte, als "Lömmel" in Buchenäste eingebunden zu werden. Auch die beiden Korbträger standen früh fest. Der Marschweg durchs Dorf wurde festgelegt. Besonders schwierig gestalteten sich die Gesangsproben und das Erlernen des Sammlerspruchs. Ort der Geheimtreffs war eine aufgegebene Köhlerhüttenfläche ,,Omm Läjelche", in deren Nähe auch die frischen Buchenäste geschlagen werden konnten.

Ursprung und tieferer Sinn des Nauholzer "Pingstelömmel-Treibens" liegen im Dunkel der Geschichte. Die ältesten Ureinwohner des verschwundenen Talsprerrendorfes können nur berichten, dass schon die Großväter beim Sammeln mit dem eingebundenen Waldschrat mitmachten.

Los ging es nach dem Mittagessen des Pfingstsonntags: Der "Lömmel" wurde mit einer Art Bastrock aus Buchenästen versehen. Der Oberkörper und der Kopf wurden besonders dicht mit dem Buchengrün eingebunden. Wichtig war, dass der Lömmel nicht erkannt wurde. Über dem Kopf band man noch einen Ginsterstrauch zum Schopf dazu. Seitlich mussten Öffnungen für die Arme des Waldschrats frei bleiben, da dieser natürlich geführt wurde. Hinter dem "Lömmel" und seinen beiden Führern reiten sich die übrigen Jungen auf. Abschluss der Prozession bildeten die beiden Korbträger, die den geschmückten Tragekorb mit den zu sammelnden Schätzen bei sich führten.

Oft war der Weg in die niedrigen Bauernstuben recht schwierig, in denen häufig auch die Verwandtschaft aus Nachbardörfern erwartungsvoll versammelt war. Das Programm umfasste zunächst die 3 ersten Strophen des Volksliedes ,,Alle Vögel sind schon da." Stimmbruchgeschädigte Knaben hörte man leicht heraus, woraufhin diese oft in einer Art Playback nur die Lippen bewegten. Anschließend sagten die Korbträger das "Pingstelömmel"-Gedecht auf:

          ,,Wir kommen gegangen mit Stecken und Stangen
          und haben einen jungen Reiher gefangen.
          Dieser legt 24 Eier in das Nest.
          Die Hälfte davon gebt uns!
          Dann geht in die Hääw*
          (*Räucher-Raum im Schornsteinbereich)
          und schneidet ein Stück Speck ab - so groß wie eine Pferdeklaue.
          Wenn der Vater fragt: ,,Wer hat's getan?"
          ,,Die Katze hat's getan!"
          Den Vater belogen - die Katze betrogen -
          Der Speck ist in unseren Korb geflogen.
          Nun gebt uns Eier oder Geld!
          Wer das nicht tut, der hat kein christlich' Blut."

Nach dieser herrlichen Gebrauchslyrik kam der Auftritt des "Pfingstelömmels." Mit möglichst tiefer und verstellter Stimme brummte er:

          ,,Ich bin ein kleiner König!
          Gebt mit nicht zu wenig!
          Lasst mich nicht zu lange stehn,
         denn ich muss noch weiter gehn."

Derart um Geschenke angebettelt, gaben die Erwachsenen gerne reichlich. Eier, Speck, Schinkenstücke, Wurst, Obst, Süßigkeiten und vor allem Geld landeten im Korb.

Weiter ging der Umgang durch alle Haushalte des Ortes. Besonders einträglich waren die Auftritte im Gasthof ,,Jägerheim", später auch im Gasthaus Klein im Oberdorf und in den etwas außerhalb gelegenen Wochenendhäusern ,,Gernands" und ,,Schleifenbaums"-Hütte. Bei heißem Wetter wurde der Umzug besonders für den Eingeschnürten zur Tortour. Noch mancher Nauholzer "Lömmel" spürt in der Erinnerung die eingeschnittenen Striemen auf den Schultern. Über 25 Auftritte wurden absolviert.

Nachdem der Lömmel endlich vom inzwischen erschlafften Laubkleid befreit war, wurden die singenden Vortragskünstler beim Aufteilen der Gaben für die Strapazen belohnt. Da man an den Eiern und Hääw-Produkten zumindest in den Sechziger Jahren weniger Interesse hatte, machte man manche Gaben bei Hölzersch Hannche, der Senior-Chefin des ,,Jägerheims", zu Geld, das leichter aufzuteilen war.

Gerne und dankbar denken die Nauholzer Jongedenger an den "Lömmel"-Brauch zurück.
Die Texte sind unvergessen. Dankbarkeit für das aufgestockte, sonst recht karge Taschengeld mischt sich mit Wehmut über das Ende des Brauches im sterbenden Dorf 1968.


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