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Ihr aktueller Aufenthaltsort: Aktuelles - >Ein Tal der Erinnerungen<



2. Februar 1966

"Jolanthe" erlebte Umzug nach Brauersdorf
nicht mehr: sie wandert in die Kühltruhe


Familie Klein schlachtete das letzte Schwein

Obernau. 2.02.1966 (wp-te) Es ist keine reine Freude mehr, einen Spaziergang durch das "sterbende Dorf" Obernau zu unternehmen. Zentimeterdick liegt der Schlamm auf den Straßen, zurückgelassen von Fahrzeugen, die Erde für den Bau des neuen Talsperrenweges herbeischaffen.

Linienbusse fahren Obernau nicht mehr an. Es lohnt wohl nicht mehr für die Kleinbahn, wegen der rund 50 Leutchen diesen Umweg zu machen. Das sind weniger als die Hälfte der einst 113 Einwohner der Gemeinde. Die meisten Familien haben das Dorf verlassen. Auf dem Gelände der abgebrochenen Häuser häufen sich Splitterberge, und Bagger rattern dort, wo früher die Traktoren Erntewagen zogen.

Im Fachwerkhaus des Haubergsvorstehers Adolf Klein wurde am Mittwoch das letzte Schwein geschlachtet. Drei Zentner wog Jolanthe, als sie das Schicksal ihrer beiden ringelschwänzigen Artgenossen aus dem Stall Kleins teilen mußte. Sie wird, in leckere Stücke geschnitten, in der Kühltruhe verschwinden.

Nun stehen nur noch die Kühe Liesel und Flora an der Futterkrippe, zwei prächtige Rotbunte, die bald verkauft werden müssen, wenn die Familie Klein in das neue Haus in Brauersdorf umsiedelt. Frau Klein hängt an diesen Kühen. Sie liefern täglich noch ihre zweimal 20 Liter Milch. "Es fällt mir richtig schwer, mich von den Tieren zu trennen", sagt sie. Auch von Lottchen, dem treuen Pferd, spricht sie mit Trauer in der Stimme. Es mußte ebenfalls den Besitzer wechseln.


Dem Hauberg verbunden

Die Familie Klein wohnt seit Generationen in Obernau. Alle Vorfahren Adolf Kleins waren mit Leib und Seele Landwirte, und auch er war mit seiner Landwirtschaft eng verbunden. Nun müssen die 4,5 Hektar bebautes Land der Obernau-Talsperre geopfert werden. Ein Trost bleibt: Der Haubergsbesitz in Richtung Hohenroth bleibt den Kleins erhalten. Das bewog sie auch, das Angebot auszuschlagen, bei Rudersdorf einen Aussiedlerhof zu betreiben. "Wir müssen in der Nähe des Haubergs bleiben", meint Frau Klein. Außerdem sind wir in dem Neubaugebiet von Brauersdorf mit vielen Obernauern in guter Nachbarschaft".

Ob Jolanthe aus dem Stall Adolf Klein überhaupt das letzte Schwein ist, das in Obernau sein Leben ausgehaucht hat, wird sich erst Ende Februar herausstellen. Der derzeitige Bürgermeister Karl Groos, trägt sich ebenfalls mit dem Gedanken, in einigen Wochen das Messer zu wetzen, um das unwiderruflich letzte Borstentier dem Tode zu überantworten.


Wir besuchten den 72jährigen Jagdaufseher Heinrich Weber, der im letzten Haus in Richtung Hohenroth wohnt. Seit nunmehr 30 Jahren wandert er mit der Flinte durch das Jagdgebiet, und die Trophäen in seinem niedrigen Wohnzimmer zeugen von Waidmannsglück. Heinrich Weber wird vermutlich zu seinem Sohn ziehen, der gern eine Bäckerei in Neu-Brauersdorf eröffnen möchte. "Sie glauben gar nicht", erzählt er uns, "welche Schwierigkeiten überwunden werden müssen, bis der erste Stein zum Neubau gesetzt werden kann".


Treue zur Kapelle

Das alte Kapellchen in der Mitte des Dorfes ist alle drei Sonntage Treffpunkt für die Mitglieder der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde. Ihre Anhänglichkeit zu diesem kleinen Gotteshaus beweisen die schon ausgesiedelten Obernauer Gemeindeglieder. Sie kommen aus Flammersbach, Siegen-Achenbach und Weidenau zum Gottesdienst, bis auch die Kapelle der Spitzhacke zum Opfer fallen wird.


Unterdessen sind zehn Planierraupen und 25 Lastwagen im Einsatz für den Bau des Holzabfuhrweges, der sich später oberhalb der Talsperre im weiten Bogen vom Ortsausgang Obernau in Richtung Nauholz und Brauersdorf in einer Länge von elf Kilometern erstreckt. Für die ersten sechs Kilometer ist die Trasse gezogen, die sich von Brauersdorf in einer Serpentine den Hang hinan schlängelt. Für die Überwindung von Taleinschnitten mußten fünf Erddämme errichtet werden. Die Erde liefert eine Abbaustelle vor Obernau. Der Weg soll asphaltiert werden und künftig auch Erholungssuchenden offenstehen, die sich an der einsamen Schönheit der Obernau-Talsperre erfreuen wollen.



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