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Ihr aktueller Aufenthaltsort:  Aktuelles - > Volkstrauertag in Brauersdorf<



Brauersdorf, 15. November 2009




Volkstrauertag in Brauersdorf

Erinnerung tut Not, uns die Sinnlosigkeit von Krieg
und Gewalt immer wieder vor Augen zu führen

Kranzniederlegung am Ehrenmal


Von Friedrich Lück

Brauersdorf. Der Volkstrauertag ist ein bedeutsamer Termin im November. Eingerahmt von Allerseelen und Totensonntag, ist dieser Tag dem Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet.

Netphens Bürgermeister Paul Wagener, der vorher in Salchendorf an der Gedenkfeier teilgenommen hatte, hielt danach für den neuen Brauersdorfer Ortsbürgermeister Helmut Büdenbender die Gedenkrede am Ehrenmal. Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Posaunenchor des CVJM aus Beienbach unter der Leitung von Rosel Flender umrahmt. Der Schützenverein legte den Kranz nieder.





Ein Auszug aus der Rede von Bürgermeister Paul Wagener:

Liebe Brauersdorfer Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Freunde des Posaunenchores aus Beienbach - der uns heute wieder einmal begleitet -, verehrte Gäste,


heute am 15. November, 91 Jahre seit dem Ende des 1. Weltkrieges, 70 Jahre seit Beginn und 64 Jahre seit dem Ende des 2. Weltkrieges begehen wir den Volkstrauertag. Gemeinsam halten wir an diesem Tag Erinnerungen wach und rufen uns das dunkelste Kapitel unserer Geschichte ins Gedächtnis:

Wir gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt, von Völkermord, Verfolgung und Vertreibung, aber auch des Widerstandes. Wir erinnern uns an das unsägliche Leid, das Millionen Menschen in unserem Land und in anderen Teilen der Erde zugefügt wurde.

Erinnerung tut Not, uns die Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt immer wieder vor Augen zu führen. Der Volkstrauertag hat nach wie vor seine uneingeschränkte Berechtigung, denn der mahnt auch die heutigen Generationen zum Frieden. Auch wenn in Europa die Grenzen verschwimmen und der Friedensprozess keiner Ermahnung zu bedürfen scheint; der Volkstrauertag und die immer um diese Zeit durchgeführten Haus- und Straßensammlungen des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge für die vielen zurückgebliebenen Soldatengräber erinnern uns Jahr für Jahr daran, dass Frieden und Versöhnung keine Selbstverständlichkeit sind, sondern vielmehr ständige Herausforderung, die immer neue Anstrengungen erfordert. Unser „grenzenloses Europa“ gründet sich auf einen Lernprozess, der in eine Friedensverantwortung mündet.

Lassen Sie mich aus dem Tagebuch eines Kindes zitieren, das sich in den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts an seinen Vater erinnerte:

„Sie zogen ihn im Alter von über 40 Jahren noch zur Ostfront ein – gewissermaßen als vorletztes Aufgebot für den Führer. Ich war damals 8 Jahre alt und wir wohnten in Weinböhler bei Dresden. In den Wochenschauen wurden Soldatenverabschiedungen immer sehr feierlich gezeigt. Ich erlebte sie anders. Trauriger, schwermütiger. Als mein Vater ging, umarmte er meine Mutter, dann hob er mich hoch und sagte, was sie wohl alle sagten, um die in der Heimat Zurückgebliebenen zu trösten und um sich selbst Mut zu machen: „Ich bin bald wieder da.“


Dann stieg er in den Zug. Wir standen schweigend da und winkten. Aber es kam alles ganz anders. Am 22. August 1944 kam ein Brief an meine Mutter zurück mit der traurigen Nachricht des Kompaniechefs, und das Schreiben endete mit der zigtausend mal geschriebenen Phrase:

„Möge Ihnen das Bewusstsein, das höchste Opfer für Volk und Vaterland gebracht zu haben, Trost in Ihrem Schmerz bedeuten.“

Wir empfinden nach, was in diesem Mädchen vorgegangen ist und fühlen uns mit ihm verbunden. Ob wir die Opfer und ihre Hinterbliebenen gekannt haben oder nicht, ob wir mit ihnen verwandt sind oder nicht – die Toten der beiden Weltkriege und der nationalsozialistischen Diktatur sind Teil der deutschen Geschichte, sie gehören zu unseren Wurzeln. Dabei erinnert der Volkstrauertag nicht nur an das eigene Leid, sondern schließt auch immer das Gedenken an die Opfer der anderen Staaten und Völker mit ein.

Wenn wir all diese Menschen vergessen oder die Erinnerung an sie verdrängen, wenn wir nicht nach den Ursachen all des menschlichen Leids fragen und ihr Schicksal nicht als Mahnung begreifen, dann werden wir mit uns selbst nicht ins Reine kommen.



Bedenken wir heute an diesem Tag, um wie vieles diese Welt menschlicher und lebenswerter wäre, wenn es endlich gelingen könnte, Terror, Gewalt und Krieg schon in ihren Ansätzen zu ersticken. Das wünschen sich zwar sehr viele Menschen, die Realität sieht allerdings leider anders aus: Nahezu täglich wird darüber in den Medien berichtet.
Über Soldaten der Bundeswehr, die in Kriegen fern der Heimat, die sie nicht zu führen haben, gefallen sind, auch Polizisten wurden außerhalb Deutschlands im dienstlichen Einsatz getötet.




Somit beschränkt sich das Gedenken sowie das Mahnen nach Frieden heute nicht mehr allein nur auf die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Bei unseren Nachbarn sind Gedenktage, wie der Volkstrauertag, fester Bestandteil der jeweiligen nationalen Identität. Darin offenbart sich das öffentliche Verständnis von der Rolle, die die Nationen in der Geschichte des 20. Jahrhunderts einnahmen. Sehen sie sich als Opfer oder Sieger, als Befreier oder Befreite durch andere oder durch sich selbst?

Aufschlussreich ist zudem, wie sich die Gedenktage, und damit das Selbstverständnis der einzelnen Nationen gewandelt haben. Denn angesichts der verheerenden Folgen beider Weltkriege und unter dem Druck der aktuellen politischen Herausforderungen erwuchs in Europa die Einsicht in die Notwendigkeit einer gemeinsamen Politik. Das Ergebnis ist die seit mehr als 50 Jahren bestehende Europäische Gemeinschaft als ein äußerst erfolgreiches Bündnis von Staaten, die friedlich und gleichberechtigt miteinander leben.

Wir können nicht dankbar genug dafür sein, dass Deutschland seit mehr als 64 Jahren Frieden hat. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass sich dieser Frieden mit einer Verantwortung verbindet. Sowie für uns das Recht auf Frieden und Freiheit selbstverständlich geworden ist, so dürfen wir nicht nachlassen, es für andere Staaten einzufordern, die noch nicht soweit sind. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass diese Welt mit uns Menschen eine andere, eine bessere werden kann. Ich will glauben und dafür kämpfen, dass Menschen fähig sind, mitfühlend, anteilnehmend und gewaltfrei zu leben und zu handeln.

So will es Gott. Aber er hat den Menschen die Freiheit geschenkt, zu wählen zwischen Gut und Böse, zwischen Vertrauen und Angst. Sind wir nicht alle schon einmal enttäuscht worden in unserer Hoffnung? Sind wir nicht alle schon an Menschen gescheitert?

Lassen wir unsere Hoffnung nicht fallen, denn Hoffnung, die wir uns immer wieder erkämpfen, und die wir in unserer Seele finden, sie ist der Schlüssel zu einer besseren Zukunft.



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